Wie kann das Erbe eines Pflegekindes vor dem Zugriff der leiblichen Eltern und dem staatlichen Zugriff entzogen werden?

von Rechtsanwältin & Mediatorin Sigrid Pruss

Pflegekinder sind mit ihren Pflegeeltern nicht verwandt. Stiefkinder und Pflegekinder gehören mithin nicht zu den gesetzlichen Erben. 

Wollen die Pflegeeltern dem Pflegekind etwas vererben, ist die Errichtung einer letztwilligen Verfügung (Testament) notwendig. 

Bei den Pflegekindern muss zunächst bedacht werden, wer mit der gesetzlichen Vertretung des Pflegekindes und der Vermögensverwaltung bedacht ist. Haben die leiblichen Eltern des Pflegekindes noch die Vermögensverwaltung inne, und sind sie auch noch mit der gesetzlichen Vertretung betraut, so haben im Falle eines Erbfalles diese Herkunftseltern automatisch das Recht, die Erbschaft ihres Kindes zu verwalten. 

Die Pflegeeltern haben jedoch die Möglichkeit, testamentarisch zu verfügen, dass bis zur Volljährigkeit ihres Pflegekindes eine andere Person mit der Verwaltung des Erbes betraut wird. Diese Verfügung können die Pflegeeltern auch durch Auflagen absichern, so dass den leiblichen Eltern die Möglichkeit versperrt wird, auf das Erbe zurückzugreifen.  

Es haben sich mehrere Möglichkeiten herausgebildet, dass Vermögen, welches einem Pflegekind vererbt werden soll, sowohl vor dem Zugriff der leiblichen Eltern als auch gegebenenfalls vor staatlichem Zugriff zu schützen.  

Zu bedenken ist nämlich, dass, sollte ein Pflegekind erben und mithin plötzlich über Einkommen oder Vermögen verfügen, kann der Sozialhilfeträger versuchen, hierauf zurückzugreifen. 

§ 94 Abs. 6 SGB VIII verweist darauf, dass junge Volljährige auch ihr Vermögen einzusetzen haben, wenn sie etwa Hilfen zur Erziehung benötigen. 

Insbesondere Pflegekinder, die behindert sind und möglicherweise stets auf Leistungen durch Hilfe angewiesen sind, spielt dies eine besondere Rolle.  

Pflegekinder können hier mit sogenannten "Behinderten-Testamenten" bedacht werden. Diese Testamente haben sich in der Praxis bewährt. 

Eltern von behinderten Kindern wollen nämlich in der Regel nicht, dass mühsam angespartes Vermögen im Falle eines Erbes von der Sozialhilfe aufgezehrt wird. Es soll den Kindern das Vermögen zugute kommen. 

Zentrale Konstruktion eines derartigen Behinderten-Testaments ist, dass das behinderte Kind (hier Pflegekind) als Vorerbe eingesetzt wird. Das Pflegekind erbt dann nicht selbst, sondern ist sozusagen "Platzhalter" für den eigentlichen Erben, den Nacherben. Nacherben können beliebig eingesetzte Personen sein, Geschwister, andere Vertraute, aber auch gemeinnützige Organisationen.  

Durch dieses spezielle Testament wird ein Pflegekind zwar nicht Eigentümer, es bekommt die Erträge aus dem Vermögen, wie zum Beispiel Mieteinnahmen oder Aktiengewinne.  

Des Weiteren kann ein Testamentsvollstrecker eingesetzt werden, der den Nachlass im Interesse des Erblassers verwaltet. So entnimmt dieser aus dem Nachlass Gelder zum Beispiel für besondere Kleidung, Geschenke oder Urlaube. Durch derartige Vorgehensweise werden die sozialen Leistungen nicht gekürzt. 

Wichtig ist, dass solche Testamente individuell gestaltet und durchdacht werden.  

Derartige Behinderten-Testamente sind zulässig, dies ist bereits mehrfach höchstrichterlich entschieden.

 

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Letzte Aktualisierung am Sonntag, 30. März 2008     
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